Sie zupfte mit den Fingern der rechten Hand am Saum des kurzen Rockes
ihrer Uniform, während sie mit der linken das vollbeladene Tablett durch die
Gänge des White Trash manövrierte. Sie hasste das knappe Outfit, aber es
gehörte dazu. Sie musste es tragen, wenn sie nicht auffallen wollte. Musste
aussehen, wie man es von einer Kellnerin im White Trash erwartete oder in
irgendeinem anderen Diner an der Westküste. Unauffällig bleiben, sich perfekt
in die Umgebung schmiegen, als hätte sie immer schon dazu gehört. Das war ihr
oberstes Gebot. Und die Menschen, denen sie begegnete glaubten es oder fragten
zumindest nicht nach, wenn sie ihnen doch etwas seltsam vorkam. Mehr konnte sie
nicht verlangen. Sie fühlte sich wohl an diesem Ort, der so anders war, als
alles was sie bisher kannte.
Das White Trash trug seinen Namen zu Recht. Überall an den Wänden
hingen uralte Plakate trashiger Horrorfilme zwischen abgewetzten und leicht fettigen
Fotos von deren Darstellern. Die Kellnerinnen wackelten in weißen Plateau-Stiefeln
und knappen Schwestern-Kostümen vorbei an den weißen Plastik-Tischen, die
aussahen, als hätte Quentin sie von einem Science-Fiction-Drehort geklaut.
Quentin, so hieß der Besitzer des Diners - zumindest für seine Gäste. Alle,
die hier arbeiteten bekamen einen passenden Namen zugewiesen. Auf dem
Plasteschild an ihrem viel zu großen Ausschnitt stand Peggy Sue. Im Grunde gefiel ihr das, genau wie die Plateau-Schuhe,
wie sie sich mit einem Lächeln eingestand, während sie eine riesige Portion
„White Fries with MEAT“ vor einem verbraucht aussehenden Trucker ablud. Er war
wahrscheinlich die halbe Nacht durchgefahren und würde sich ohne Schlaf wieder hinters
Steuer setzen, um seinen Plan einzuhalten. Warum auch nicht? Kontrollen gab es
viel zu wenige und das Geld für eine nicht pünktliche Lieferung konnte er sich
wohl kaum leisten. Vorsorglich würde sie ihm einen Coffee to go mitgeben, bevor
er das Lokal verließ.
Ihren Gedanken nachhängend, bediente Peggy die hungrigen Trucker, die
aufgeregten Teenager und die Alten, die es allein daheim nicht aushielten und
ins Diner kamen, um wenigstens ein bisschen Abwechslung zu haben. Es war ihr
nie schwer gefallen, sich auf mehrere Dinge gleichzeitig zu konzentrieren. Das
lag in ihrer Natur.
Seit einem Monat arbeitete Peggy nun schon in diesem Laden und sie
fühlte sich tatsächlich wohl hier. Sie hatte nicht geglaubt, dass das je
geschehen würde. Peggy wusste, dass sie schon zu lang hier war, weiter musste.
Jeden Morgen versprach sie sich aufs Neue: „Nur noch einen Tag.“ Doch es blieb
nie dabei. Erneut ermahnte sie sich, aufzubrechen und wusste, dass sie es doch
nicht tun würde. Noch nicht. Zu sehr genoss sie das Gefühl von so etwas wie
Freunden und einem Zuhause. Zumindest stellte sie sich so ein Zuhause vor,
auch, wenn Peggy nur in einem Motel lebte, dass sie von Nacht zu Nacht
bezahlte.
Ihr gefiel der furchtbare Namen, den Quentin ihr verpasst hatte. Er
hatte in keiner Weise Ähnlichkeit damit wie sie tatsächlich hieß. Das gefiel
ihr noch mehr. Und am meisten war sie dankbar dafür, dass die Leute in der
Stadt niemals nach ihrem echten Namen fragten. Überhaupt schienen sie nie etwas
zu hinterfragen. Sie akzeptierten, dass jeder seine eigenen Geheimnisse hatte,
waren aber dankbar über jede Tür, die man ihnen zu seinem Herzen öffnete. Sie
hatte lange gebraucht, bis sie das erkannt hatte. Doch jetzt fühlte sie sich
sicher, nicht mehr pausenlos beobachtet. Ihren wahren Namen und ihre Geschichte
würden die Einwohner von Whitehood Town dennoch nie erfahren.
Gerade als sie den Coffe to go für den Trucker von vorhin einschenkte,
kam Uma – eigentlich Emma –mit einem gequälten Lächeln auf sie zu. „Kannst du die
Raudis dahinten übernehmen? Du hast diesen ‚Fass-mich-an-und-du-bis-tod-Blick‘
drauf.“
„Klar.“ Peggy lächelte zurück, zog den kleinen Block aus der Schürze,
auf der ein rotes Kreuz prangte und die noch knapper war als ihr Rock, und nahm
den Kaffee in die andere Hand. Mit einem „Gute Fahrt“ und einem Kopfnicken
stellte sie den Becher vor dem sichtlich dankbaren Trucker ab und ging weiter
zu der Biker-Truppe, auf die Uma gewiesen hatte. Sie war Quentins Frau,
schwanger mit Zwillingen im sechsten Monat und balancierte die Tabletts
mittlerweile mehr auf ihrem Bauch, als auf ihren Händen. Uma würde so lange
arbeiten, bis es nicht mehr ging. Die beiden hatten nicht das Geld, um noch
eine Aushilfe zu finanzieren. Peggy mochte die beiden sehr und würden nicht die
vielen unaussprechbaren Dinge zwischen ihnen im Raum stehen, wären sie
vielleicht sogar mehr als nur so etwas
wie Freunde. Zumindest schien es wenigstens von einer Seite aus ein
gewisses Vertrauen zu geben.
Sie und Paul, das war Quentins wirklicher Name, wie Peggy schon an ihrem
zweiten Tag im Diner erfuhr, saßen oft noch nach der Arbeit zusammen. Er
vertraute ihr viel an, brauchte jemanden, mit dem er über seine Angst, Vater zu
werden, reden konnte. Paul und Emma hatten drei Jahre lang versucht ein Kind zu
bekommen, doch geklappt hatte es erst vor ein paar Monaten, als sie die
Hoffnung schon fast aufgegeben hatten. Aber je näher der Termin rückte, desto
unsicherer wurde Paul. Einmal, als es spät geworden war und er ein paar Bier zu
viel intus hatte, hatte Paul versucht Peggy zu küssen. Das hatte ihn wohl mehr
geschockt als sie selbst und er war mit eingezogenem Schwanz nach Hause zu Emma
gedackelt. Sie hatten nie wieder ein Wort darüber verloren. Er liebte Emma, das
wusste Peggy und Pail wusste es auch. Manchmal braucht es wohl eine kurzzeitige
Verwirrung verbunden mit einem kleinen Schock, um sich dessen wieder bewusst zu
werden.
Bei den Bikern angekommen zog Peggy den Kugelschreiber vom Block ab,
setzte eine abweisende Miene auf und fragte mit süßer aber doch strenger
Stimme: „Was soll’s sein, Jungs?“ Als einer der „Jungs“ bereits seinen Arm
ausstreckte, um ihn um ihre Hüfte zu legen und sie an sich heranzuziehen,
genügte ein eisiger Blick ihrerseits und schon zog er die Hand zurück, nicht
ohne ein cooles „Warum denn so schüchtern, Liebes?“ hinterherzuschieben. Aber
das war ihr egal. Sie wusste, dass er sich nicht trauen würde sie anzufassen.
Und das hatte weniger mit ihrem Blick, als mit der Aura zu tun, die sie umgab,
wenn sie es wollte. Die Aura von Gefahr. Wenn er einen coolen Spruch ablassen
musste, um sich vor seinen Kumpels nicht die Blöße zu geben, sollte er ruhig.
Sie ging nicht weiter darauf ein, klopfte nur ungeduldig mit dem
Kugelschreiber auf den Block. Peggy sah noch, wie er den Mund öffnete, um etwas
zu sagen, konnte aber nicht mehr zuhören. Ein Kribbeln schoss durch ihren
Körper hoch in den Nacken und sie wusste, dass es zu spät war. Sie hätte gehen
sollen, als sie es noch gekonnt hatte.
Die Glocke über der Eingangstür läutete und schlagartig begann ihre
Hand vor Anspannung zu zittern. Von einer Sekunde zur anderen änderte sich die
Atmosphäre im dem Diner. Peggy ließ den Kugelschreiber fallen, er kullerte über
den Tisch, doch sie reagierte nicht auf das Grölen der Biker. Ohne weiter
darauf zu achten, was sie tat, ließ sie den Block zurück in ihre Schürze
gleiten, drehte sich mit angehaltenem Atem zur Tür und ließ ihren Blick in
Windeseile durch den Raum gleiten. Am Tisch neben dem Eingang sah sie ihn, den
Fremden. Er musterte sie interessiert durch die getönten Gläser seiner
Sonnenbrille. Wie lächerlich, dachte
sie. Der Himmel draußen war wolkenverhangen und jeden Moment würde es beginnen
zu regnen.
Er trug eine abgewetzte braune Lederjacke zu einer zerschlissenen
Jeans, das Haar war kurzgeschoren und seine Schuhe steckten in schweren
Armyboots. Seine Kleidung wollte irgendwie nicht zusammenpassen. Er sah jung
aus, als sich ein Lächeln auf sein Gesicht stahl. Es wurde zu einem Grinsen. Er
wusste, dass sie ihn erkannt hatte…
Peggy stieß die angehaltene Luft aus. Sie hatten sie tatsächlich
gefunden. Peggy hatte gewusst, dass das passieren würde, wenn sie sesshaft
würde – und dennoch. Wut flammte in ihr auf. Wut auf sich selbst und auf den
Fremden. Sie konnte nicht fassen, dass dieser Soldat es wagte, einfach so in
IHR Diner zu kommen und sie dann auch noch so überheblich anzugrinsen! Wie in
Trance bewegte sie sich auf ihn zu, streifte sich die Schürze ihres Kostüms ab,
legte sie unachtsam auf einen der Tische, an dem sie vorbeikam. Dann stand sie
vor ihm, ließ sich in ihrem lächerlichen Outfit auf dem Hocker ihm gegenüber
nieder und sagte kein Wort, blickte ihn nur unverwandt an. Peggy fühlte
Erschöpfung durch ihre Glieder strömen, konnte oder wollte nicht fassen, dass
sie sie gefunden hatten. Dass alles umsonst gewesen sein sollte.
Eine Weile saßen sie so da, stumm, ohne jede Regung, ohne auf die
Außenwelt zu achten – die Blicke fest ineinander verschränkt.
Nach einer gefühlten Ewigkeit sagte er schließlich: „Peggy Sue also?“ Er nickte in Richtung
ihres Namensschilds und in seiner Stimme klang Hohn. Es machte sie wütend wie
selbstsicher er war, als wüsste er nicht längst wen er vor sich hatte.
Ohne sich etwas anmerken zu lassen, ignorierte Peggy die Frage gekonnt,
entgegnete nur ungerührt: „Was willst du hier?“ Ihre Stimme klang eisig und
streng, wie sie mit Genugtuung feststellte. Sie durfte keine Schwäche zeigen,
durfte sich nicht anmerken lassen, dass sie Angst hatte. Denn die hatte sie - nicht
um sich selbst, aber um die Menschen im Diner, die sie liebgewonnen hatte. Die
Alte aus dem Tante Emma Laden, der schräge Pastor, dessen Sonntagsmesse sie nur
aus Höflichkeit besucht hatte … und Emma und Paul natürlich, die Zwillinge in
ihrem Bauch. Peggy verfluchte sich bei dem Gedanken an sie alle. Wie hatte sie
nur zulassen können, sich an diese Menschen zu binden?
„Ich denke, das weißt du.“
Ihr Körper spannte sich erneut an, ihr war, als zuckte jeder Muskel ungeduldig
in ihren Gliedern. Doch sie sagte nichts, wollte, dass er es aussprach.
„Dein Vater schickt mich.“
Seine Stimme war tief und rau. Eine Stimme, die ihr hätte gefallen
können, wäre sie ihr in diesem Moment nicht so verhasst.
„Ich habe keinen Vater“, sagte sie kühl.
Ein Lachen seinerseits. Es klang wissend und jagte ihr einen Schauer
über den Rücken.
„Er will, dass du nach Hause kommst.“
Peggy schnaubte verächtlich, doch erwiderte nichts weiter. Eine Weile
herrschte wieder Stille an ihrem Tisch. Sie beobachtete jede seiner Bewegungen,
fragte sich, worauf er wartete. Der Fremde schien es ihr gleichzutun. Warum saß
er einfach so da, beobachtete sie, wartete? … Wie ein Raubtier, das zum Sprung ansetzt, dass auf den einen, den
richtigen Moment wartete, um seine Beute zu reißen, schoss es ihr durch den
Kopf. Oder ein unwissendes Lamm, das noch
nicht ahnt, welchem Monster es gegenüber sitzt? Was bist du? Löwe oder Lamm? Hatte
sie sich vielleicht in ihm getäuscht? Sich das „wissende Lachen“ nur eingebildet,
weil sie sich nicht vorstellen konnte, dass sie einen blutigen Anfänger, zu ihr
und damit in den Tod schicken würden?
„Was weißt du?“, rutschte es ihr über die Lippen, bevor sie die Frage
zurückhalten konnte.
Er zog die Stirn kraus, wirkte irritiert. Das erste Anzeichen von
Schwäche stellte sie mit Genugtuung fest. Doch er hatte sich schnell wieder im
Griff. „Dass dein Vater will, dass ich dich nach Hause hole. Mehr muss ich
nicht wissen.“
Ha!
Falsche Antwort. Er hatte versucht selbstbewusst zu klingen, als gäbe es
nichts, was an dieser Mission besonders sein sollte. Doch er würde noch sehen,
wie sehr er sich täuschte. Peggy entspannte sich etwas, der Hauch eines
Lächelns stahl sich in ihr Gesicht als sie feststellte: „Also weißt du gar
nichts.“
Sie behielt Recht, er rutschte unsicher auf seinem Stuhl hin und her.
Er war das Lamm und sie das Raubtier. Wahrscheinlich war er nicht einmal ein
Soldat, sollte nur die Tochter des Chefs ausfindig machen und dann Verstärkung
rufen. Ob er sich profillieren wollte, indem er sie selbst zurückbrachte? Oder
sollte er sie nur ablenken, bis die Verstärkung kam? Wie auch immer. Die
Kavallerie würde kommen, was bedeutete, Peggy musste diese Farce hier beenden
und zwar schnell.
Er war unvorbereitet, ein Vorteil, den sie sich zu Nutze machen würde.
Für eine Sekunde senkte sie den Blick und als Peggy ihn wieder hob, sah sie in
das erschrockene Gesicht eines Jungen, mehr war er nicht. Einfach nur ein
dummer Junge, der jetzt sterben würde. Ihre leuchtenden Augen spiegelten sich
in den Gläsern seiner Brille, die schwarzen Pupillen zu Schlitzen verengt,
umgeben von einer gelben Iris, die ein roter Ring aus Feuer einschloss. Als er
seinen Fehler erkannte, war es bereits zu spät.
Peggys Hand schoss nach vorn und legte sich um seinen Hals. Die Krallen
wuchsen aus ihren Fingerkuppen, bohrten sich in sein Fleisch, während dünne
Rinnsale von Blut daran herabliefen. Mit einem Ruck hob sie ihn von seinem
Stuhl und schleuderte ihn auf den Tisch. Seine Brille war ihm von der Nase
gerutscht, ungläubig starrte er ihr voller Entsetzen entgegen, ein Röcheln
entrang seiner Kehle. Mitleidlos beugte sie sich über ihn, als sich seine Hände
kraftlos um ihren Arm legten. Seine Beine strampelten und sie wusste, dass
alles in ihm nach Flucht schrie. Mit einem Lächeln auf den Lippen, das ihre
spitzen Reißzähne zum Vorschein brachte, beugte sie sich tiefer zu ihm herab,
platzierte ihre Lippen dicht an sein Ohr und flüsterte: „Du bist das Lamm!“
Als sie den Kopf wieder hob, las sie die Resignation in seinen Augen.
Er wusste, dass es vorbei war. Mit dem Gefühl des Triumphes bohrten sich ihre
Krallen tiefer in seinen Hals, schlossen sich um die Kehle und rissen sie dem
jungen Mann mit einem Ruck heraus. Ihr folgte ein tiefroter Schwall dunklen
Bluts, der sich auf seiner ledernen Jacke ergoss. Mit einem schmatzenden
Geräusch fiel die Kehle aus ihrer Hand und landete auf dem Boden.
Für einen Moment schloss sie die Augen, lauschte auf ihre Umgebung, das
erschrockene Kreischen, dem Knall umstürzender Stühle und dem Klirren von
Gläsern, die von einem Tablett gerutscht sein mussten. Sie konnte die Angst der
Anwesenden mit jeder Zelle ihres Körpers fühlen. Die Panik. Auch die von Paul
und Emma.
Es waren normale Reaktionen, bedachte man, dass diese Leute soeben einen
brutalen Mord mitangesehen hatten. Doch das war es nicht, was sie
interessierte. Sie suchte nach einem Anzeichen dafür, dass sie gesehen hatten,
was sie war. Doch abgesehen von dem toten Soldaten vor ihr auf dem Tisch,
schien niemand wahrgenommen zu haben, was genau gerade passiert war. Nur er
hatte in ihre Augen geblickt, die Krallen ihrer Hand gespürt, die sie bereits
wieder eingefahren hatte. Es war schnell gegangen – für ihn und die Anwesenden.
Und selbst was sie ihn hatte spüren lassen, war nur ein Bruchteil ihrer selbst
gewesen, ein Bruchteil dessen, was noch in ihr schlummerte. Er hatte keine
Chance gehabt.
Zufrieden öffnete sie ihre Augen, blickte ein letztes Mal auf die rote
Lache unter ihr. Ruhig schritt sie auf die gläserne Tür zu, die aus dem White
Trash führte, dem Ort, der für kurze Zeit zu ihrem Zuhause geworden war – oder
zumindest zu etwas in der Art. Ihr Blick streifte den entsetzten Paul, der zwei
Schritte zurückwich und in ihre grünen Augen blickte, in denen der Versuch
einer Entschuldigung lag. Das Bedauern darum, dass sie beide niemals wahre
Freunde geworden waren und nun auch niemals werden würden. Ein schwaches
Lächeln des Abschieds zuckte über Peggys Gesicht, doch diese Geste schien Paul
nur noch mehr zu verstören. Sie sah, wie sein Arm hinter den Tresen huschte, zu
dem schweren Baseballschläger, den er dort für unliebsame Gäste deponiert
hatte. Der Schläger sollte ihnen nur Angst machen, doch einmal hatte er ihn
benutzen müssen. Damals war ein Trucker schon betrunken ins Diner gestolpert
und nachdem Emma es abgelehnt hatte, ihm noch mehr Alkohol auszuschenken, wurde
er so wütend, dass er sich auf sie stürzen wollte. Peggy war froh gewesen, dass
sie nicht hatte eingreifen müssen, dass Paul schnell genug mit dem
Baseballschläger bei Emma gewesen war. Damals hatte sie ihm aufmunternd
zugenickt, jetzt schüttelte sie nur sanft den Kopf.
Pauls Bewegung hielt inne, dann zog er den Arm langsam wieder zurück,
seine Hand war leer.
Erleichterung durchströmte Peggy. Sie wollte sich nicht gegen ihn
wehren müssen, doch sie hätte es getan. Und mit dem ganzen Adrenalin, das durch
ihre Adern schoss, wusste sie nicht, ob sie die Verwandlung hätte im Zaum
halten können. Doch sie wollte niemanden mehr töten müssen, vor allem nicht
Paul.
Mit einem letzten Blick auf ihn, legte sie ihre blutige Handfläche an
das Glas und drückte die Tür auf, verabschiedete sich im selben Moment von Peggy Sue aus Whitehood Town. Ohne sich
noch einmal umzudrehen, ging sie über den Parkplatz auf einen alten PKW mit
Rostflecken zu. Mit gezielten Handgriffen brach sie die blaue Tür auf, ließ
sich auf den Sitz fallen und schloss den Wagen kurz. Traurig um das Leben, das
sie nie besessen hatte und das ihr dennoch gerade verloren gegangen war, lenkte
sie den PKW auf die breite Straße und dachte an den blutigen Abdruck, den ihre
Hand zurückgelassen hatte. Und an den
Mann, dem nicht klar gewesen war, dass man ihn wie ein Lamm zur Schlachtbank
geführt hatte. Wahrscheinlich war er ein Söldner gewesen, der sich schlichtweg
an die Falschen verkauft hatte. Doch am Ende würde das alles keine Rolle mehr
spielen. Sie wussten bereits, dass sie hier gewesen war. Sie hatten sie
gefunden.
Ich muss meine Spuren besser
verwischen, dachte sie, während die das Gaspedal durchdrückte
und floh – in eine ungewisse Zukunft. Wie so oft.
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